Das Bw im Wandel der Zeit
Die über 80 jährige Geschichte dieser ostwestfälischen Dienststelle unterscheidet sich nicht allzu sehr von der anderer Bahnbetriebswerke in der Region. Aber es ist - im Gegensatz zu den meisten anderen - noch annähernd komplett erhalten. Der Zeitstrahl links im Menü zeigt den Beginn des 20. Jahrhunderts in Bielefeld mit der Blütezeit nach den beiden Weltkriegen und das langsame Auslaufen bis zum annähernd kompletten Verfall vor den Renovierungsmaßnahmen im Jahre 2003.
Begleiten Sie uns auf eine rußgeschwärzte Reise durch die Vergangenheit.
Sicherlich hat sich der eine oder andere Besucher die Frage gestellt, warum ein Dampflok-Bahnbetriebswerk überhaupt so aussieht, wie es aussieht. Vieles ist nämlich wegen der betrieblichen Verfahren in jedem Bw identisch.
Dampflokomotiven unterliegen einer recht aufwändigen und regelmäßigen Wartung, dazu verbrauchen sie Wasser, Kohle und Sand. Die damaligen Fahrpläne waren so berechnet, dass die eingesetzten Lokomotiven regelmäßig ein Bw aufsuchen konnten. Für die Instandhaltung gab es daher sog. Umlaufpläne, welche in der Lokleitung erstellt wurden.
Lassen Sie uns "unsere Lok" den Rest des Tages begleiten. Nehmen wir also an, wir befänden uns im Jahre 1958. Wir hätten im Bielefelder Hauptbahnhof unseren Zug an Gleis 2 abgestellt und ihn zur Rückfahrt nach Köln einer anderen Lokomotive übergeben. Ein kurzer Gruß, ein Achtungspfiff und der Fahrdienstleiter stellt die Rangierfahrt Richtung Bw ein. Langsam rollen wir vorbei an der Bielefelder Industrie - Gildemeister sowie Droop & Rein - sind Namen von Weltrang. Die Stadtwerke mit ihren Schornsteinen, Kühltürmen, dem Gasometer und den Steinkohlebergen beeindrucken. Die Fahrt führt uns durch die Abstellgruppe, in der die Personenwagen für die nächste Fahrt vorbereitet werden. Es ist spät, in der Wagenmeisterei auf der rechten Seite brennt nur noch ein Licht im Aufenthaltsraum.
Noch lässt uns der Fahrdienstleiter auf dem Stellwerk Bl am rechts auftauchenden Wasserturm nicht einfahren. Nach einem ungeduldigen Pfiff wird es dann doch noch was. Einfahrt auf Gleis 63, am Wasserkran wird passgenau gehalten. 10.000 Liter Wasser wollen aufgefüllt werden. Der preußische Wasserkran bezieht sein Wasser aus dem alten Wasserturm aus dem Jahre 1906.... nicht mehr wirklich schön, aber in Funktion. Das allein zählt.
Irgendwie gehts vorn nicht so recht voran. Vor uns stehen zwei Lokomotiven in der Lokomotivbehandlung zum Restaurieren. Doch dann gehts schnell weiter, der Kohlenkran steht mit seinem Kohlenhunt bereit. 4 Tonnen Steinkohle sollten reichen. Wir ziehen noch etwas weiter vor, um auszuschlacken. Das Feuer wird herausgezogen und durch den Kipprost in die Grube befördert. In der Grube stehen ebenfalls Hunte bereit. Noch schnell die Rauchkammertür geöffnet...das bißchen Lösche ist schnell rausgeschippt. Unterdessen wurden die Sandvorräte kontrolliert, es muss nichts aus der Blasanlage des Sandbunkers aufgefüllt werden. Noch Zeit genug, eine Wasserprobe aus dem Tender dem Wasserlabor im Sandbunker zu übergeben. Beste Gelegenheit, bei Bedarf Dosiermittel einzufüllen.
Der Kranführer des Schlackekranes hinter dem Sandbunker quengelt, wir sind derzeit die Einzigen und halten den Laden auf. Sämtliche Hunte in der Grube sind voll und müssen geleert werden. Es sind noch drei 50er angekündigt, also sehen wir zu, dass wir auf die Drehscheibe kommen. Es dauert ein wenig, die Zigarette des Drehscheibenwärters ist wohl wichtiger. Aber nun kommt Bewegung in die Sache. Die Drehscheibe dreht sich unüberhörbar in unsere Richtung, wird langsamer und hält schließlich an. Etwas Augenmaß ist vonnöten, wenn es denn gleich passen soll... aber der Mann hat Übung. Die Verriegelung rastet ein und wir bekommen das Signal, um einzufahren. Der Lokführer schaut aus dem Fenster, auf dem Geländer sucht er die Haltemarkierung für unsere Lokomotive. Steuerung auf neutral, Regler zu und Bremse angelegt... möge die wilde Fahrt beginnen! Leider kommen wir nicht weit, bereits drei Fächer weiter ist Schluß und wir rücken vorwärts in den Schuppen in Tor 4 ein. Morgen gehts mit anderem Personal nach Hannover, da braucht die Lok nicht gedreht zu werden. Nun folgt noch das Abschmieren in der Grube, die sog. Nachschau. Der Meister hat sich längst in Richtung Kantine verdrückt und hofft wohl noch auf ein kaltes Bier. Der Heizer übergibt eine Stunde später die Lok an die Schuppenheizer. Eine kurze Zigarette an der Lokleitung, Übergabe der Papiere und dann gehts direkt zum Übernachtungsgebäude, heute mal ohne Bier. Die Nacht ist kurz.
Morgen wird die Lok das Bw über das Gleis 64 verlassen haben, nicht jedoch ohne noch einmal Wasser genommen zu haben. Möge ein neuer Tag beginnen. Noch hat sich keine dieser seltsamen Dieselloks blicken lassen, die demnächst für Unruhe sorgen werden. Und Elektrolokomotiven hat hier noch niemand gesehen.
So oder so ähnlich hätte es sich damals zugetragen haben können.... wie überall in Deutschland.
Auch das Bw Bielefeld folgte dem Grundsatz "Form follows function"... auch wenn das damals niemand so genannt hätte. Es ist unser Anspruch, Ihnen die kleine Zeitreise möglichst erlebbar zu gestalten.
Die Bilder dieser Kategorie entstammen dem Stadtarchiv Bielefeld und vielen Fotografen, die uns ihre Aufnahmen zur Veröffentlichung überlassen haben.